Gleichstufige Stimmung

Welche Stärken und Schwächen hat die gleichstufige Stimmung?

Orgel mit drei Manualen
Die gleichstufige Stimmung (= gleichstufig-temperierte Stimmung)
ist die heute gebräuchlichste Stimmung für Instrumente mit zwölf festen Tonhöhen.
Sie unterteilt die Oktav in zwölf mathematisch gleiche Stufen.
Mehr dazu in diesem wikipedia-Artikel.

Diese Stimmung hat Vor- und Nachteile.
Der Vorteil besteht darin, dass ALLE Tonarten erträglich klingen;
dadurch sind Tonartwechsel problemlos möglich.
Der Nachteil besteht darin, dass jeder einzelne Ton ein wenig “daneben” liegt:
die Schwingungsverhältnisse der Intervalle sind komplexer, als wir sie singen würden.
Wenn ein Tasteninstrument in einer bestimmten Tonart rein gestimmt ist,
klingen die anderen Tonarten falsch – wie das Hörbeispiel oben deutlich macht.

Die zwölf verschiedenen Tonhöhen eines Klaviers
sind also nur Annäherungen an intonatorisch perfekte Töne.
Diese Annäherung ist bei Instrumenten mit festen Tonhöhen unumgänglich,
weil ihnen die intonatorische Flexibilität der Stimme oder Violine fehlt.

Johann Sebastian Bach hat die gleichstufige Stimmung favorisiert und mit durchgesetzt.
Im Lauf der Jahrhunderte an wir uns an diese Stimmung gewöhnt:
wir nehmen die Intonationsfehler von Instrumenten mit zwölf festen Tonhöhen kaum noch wahr.

Die gleichstufige Stimmung hat uns unbegrenzte harmonische Möglichkeiten geschenkt
und dafür die “schönere” reine Intonation geopfert.
Die gleichstufige Stimmung ist also Segen und Fluch zugleich: sie ist optimal, aber nicht perfekt.

Eine Brücke zwischen beiden Welten

kann man durch bestimmte Übungen mit Singstimme und Klavier, Orgel oder Gitarre schlagen.
Die Singstimme gleicht durch ihre flexible Intonation die Fehler der gleichstufigen Stimmung aus.
Dadurch lernt man eine Art “intonatorische Bewusstheit”.
Das zeige ich Ihnen ein andermal.

Bleiben Sie achtsam beim Hineinhorchen und Experimentieren
mit musikalischen und sonstigen Stimmungen!
Ihr Bernd Michael Sommer