Transponieren – einfach oder schwierig?

Worauf ist beim Transponieren zu achten?

Transponieren eines Jazzpatterns

Transponieren können Sie wahrscheinlich schon – auch wenn es Ihnen nicht bewusst ist. Stellen Sie sich vor, dass Sie eine Melodie singen und nach einigen Tönen bemerken, dass Sie für Ihren Stimmumfang zu hoch angefangen haben. Was tun Sie jetzt? Vermutlich beginnen Sie noch einmal, aber diesmal mit einem tieferen Ton: Sie “transponieren”, d. h. Sie verändern die gesamte Melodie um ein bestimmtes Intervall. Die Melodie hat die gleiche Gestalt wie beim ersten Versuch, passt aber jetzt zu Ihrem Stimmumfang.

Die Stimme

hat es leicht mit dem Transponieren. Das kommt daher, dass Sie die Relationen zwischen den Tönen beibehalten und den Bezugston ändern können, ohne sich Gedanken über die Tonart machen zu müssen. Für die Stimme gibt es keine schwierigen Tonarten.

Am Instrument

ist das Transponieren etwas schwieriger als beim Singen. Auf der Gitarre fällt das Transponieren von Melodien relativ leicht, sofern man die Leersaiten weglässt. Eine Melodie in A-Dur in der IV. Lage hat das gleiche Bewegungsmuster wie in G-Dur in der II. Lage – der Körper muss also nichts Neues lernen.

Klavier, Flöte oder Saxofon machen das Transponieren noch schwieriger. Das liegt daran, dass die Intervallverhältnisse nicht so offensichtlich sind wie bei der Gitarre. Außerdem muss der Körper mit jedem neuen Bezugston ein neues Bewegungsmuster lernen.

Die Notenschrift

macht das Transponieren leider nicht einfacher – vor allem, wenn Sie Ihre Intervalle nicht spontan und mühelos abrufen können. Die Notenschrift versteckt die Intervalle: Halbtöne und Ganztöne bilden ein fröhliches Durcheinander. Zwischen e und f ist ein Halbton, genau wie zwischen h und c. (Übrigens ist der gewohnte Begriff Halbton etwas unglücklich; treffender wäre “eine Zwölftel Frequenzverdopplung” – aber wer will sich schon mit einem solchen Begriff herumschlagen?)

Die Notenschrift hat das Problem, dass für zwölf mögliche Töne nur die sieben Stammnamen c, d, e, f, g, a und h zur Verfügung stehen. Für die fünf restlichen Töne brauchen wir Vorzeichen.

Die Stammnamen c, d, e, f, g, a, h sind identisch mit der C-Dur Tonleiter und ihren Intervallen 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7. Wenn wir eine andere Durtonleiter schreiben wollen, braucht diese natürlich auch die Intervalle 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7. Damit diese Intervallstruktur entsteht, müssen wir Vorzeichen benutzen.

Beispiel

Wir wollen die E-Dur Tonleiter schreiben. Ohne Vorzeichen heißen die Noten: e, f, g, a, h, c, d. (Diese Tonleiter hat die Intervalle 1, b2, b3, 4, 5, b6, b7 und heißt E-Phrygisch – siehe Beitrag Modale Tonleitern.) Um E-Dur zu erhalten, ändern wir die Notennamen mit Vorzeichen: e bleibt, aus f wird fis, aus g wird gis, a bleibt, h bleibt, aus c wird cis, aus d wird dis. Damit ist aus der Intervallstruktur 1, b2, b3, 4, 5, b6, b7 die Intervallstruktur 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 geworden: wir haben unser Ziel erreicht.

Das Notensystem kann wie gesagt nur 7 von 12 Tönen ohne zusätzliche Vorzeichen darstellen. Je mehr Noten durch Vorzeichen verändert werden müssen, umso komplexer wird das Notenbild. C-Dur ist noch einigermaßen überschaubar; in Tonarten wie Des-Dur oder H-Dur wird das Notenbild zunehmend unübersichtlich.

Ein typisches Jazzpattern

zeigt, welche zusätzlichen Vorzeichen nötig werden.

Das Pattern in C-Dur

braucht schon einige Vorzeichen:

Jazzpattern IIm7 - V7 - IMaj7. C-Dur.

Die Transposition nach Des-Dur und H-Dur

macht weitere Vorzeichen notwendig:

Jazzpattern IIm7 - V7 - IMaj7. Des-Dur.

Jazzpattern IIm7 - V7 - IMaj7. H-Dur.

Die Generalvorzeichnung zu Beginn

entfernt manche Vorzeichen an den Noten und ruft an anderer Stelle neue Vorzeichen hervor:

Jazzpattern IIm7 - V7 - IMaj7. Des-Dur mit Generalvorzeichnung.

Jazzpattern IIm7 - V7 - IMaj7. H-Dur mit Generalvorzeichnung.

Die allgemeine Form mit Intervallen und Bezugston

schafft eine gute Ausgangsposition, um das Pattern in alle Tonarten transponieren zu können:

Jazzpattern IIm7 - V7 - IMaj7. Allgemeine Form mit Intervallen zum Bezugston c.

Lernvorschlag:

1. Lernen Sie alle Notennamen im Violin- und Bassschlüssel
2. Lernen Sie alle Intervalle
3. Machen Sie sich die Struktur des Notensystems klar
4. Transponieren Sie Tonfolgen, Melodien, Akkorde zuerst mit der Stimme und dann am Instrument
5. Benutzen Sie die Intervallspirale als Hilfsmittel

Lassen Sie sich durch die Mühe nicht abhalten – es lohnt sich, und Sie werden mit der Zeit souveräner und mit mehr Genuss Musik machen. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass musikalische Bildung not tue.

Ihr
Bernd Michael Sommer